Im Februar 2017 setzte das Land Schleswig Holstein mit sofortiger Wirkung, Abschiebungen nach Afghanistan aus. Zunächst bis zum 31.5.2017.
Davor hatten im Oktober 2016 die EU Mitgliedstaaten mit Deutschland zusammen Afghanistan als sicheres Herkunftsland erklärt, das lediglich Unterstützung für den Wiederaufbau benötigt. Bis 2020 will Deutschland 1,7 Milliarden € für den Wiederaufbau bereitstellen.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) stellte auf Anfrage der Bundesregierung im Dezember 2016 fest, dass eine Konkretisierung sicherer Gebiete in Afghanistan nicht möglich ist, da Anschläge in den unterschiedlichsten Gegenden stattfinden. Nachdem in einer nordafghanischen Provinz, die sonst als eher ruhig bekannt war,  im Februar 2017 MitarbeiterInnen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz getötet wurden, zog das Rote Kreuz seine Mitarbeiter ab. Da es immer wieder tödliche Übergriffe gibt von Gruppen aus ehemaligen Taliban oder Kriminellen, die sich zur IS zählen,  erfolgte der Beschluss der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung, im Alleingang, die Abschiebung nach Afghanistan auszusetzen. Darüber ist der Freundeskreis froh und hofft auf einen entsprechenden Folgebeschluss.

Zur Begründung dieser Haltung sind folgende politischen Hintergründe hilfreich:

Afghanistan liegt zwischen Turkmenistan, Tadschikistan, Pakistan und dem Iran. Die Hauptstadt Kabul (4,5 Mio Einwohner geschätzt 2011) liegt im Osten des Landes. Im Westen liegt Herat, eine Kulturmetropole und Universitätsstadt. Zwischen beiden Städten liegt ein Gebirgszug mit Bergen (z.T. über 4000m hoch). Obwohl nur 6 % der Flächen landwirtschaftlich nutzbar sind, ist traditionell die Haupterwerbsquelle die Landwirtschaft. Die Einwohner teilen sich auf in Paschtunen und Tadschiken und viele kleine ethnische Gruppen. Die Hauptsprachen sind Paschto und Dari (persisch). Die Religion ist zu 99 % muslimisch. Da aber die alten Handelsrouten von  China und Indien nach Europa durch Afghanistan verliefen, lebten früher selbstverständlich auch Hindus, Juden und Christen in den großen Städten.

Seit dem 8.8.1919 ist Afghanistan unabhängig (nach 60 Jahren unter britischer Vorherrschaft). Zunächst gab es eine Entwicklung nach englischem Vorbild mit einer konstitutionellen Monarchie, einem politischen 2 Kammersystem bis hin zum Frauenwahlrecht. 1973 wurde das Königshaus mit sowjetischer Unterstützung gestürzt. Die folgenden Konflikte gipfelt im Einmarsch der sowjetischen Gruppen 1979. Der danach folgende Bürgerkrieg, in dem auf der einen Seite die Sowjetunion und auf der anderen Seite die von den Vereinigten Staaten Saudi-Arabien und Pakistan unterstützten Guerillas standen. In den folgenden 10 Jahren flohen bereits viele Menschen aus dem Land in den Iran, nach Pakistan, nach Deutschland, in die USA oder Kanada. Viele Familien, die vorher eng zusammenhielten,  sind seit dieser Zeit über den ganzen Globus verstreut. Die sowjetischen Truppen zogen 1989 ab, aber der neue Präsident wurde weiter von den Sowjets unterstützt, bis er 1994 gestürzt wurde.

1994 traten die Taliban in der südlichen Stadt Kandahar erstmals in Erscheinung. Die Taliban-Bewegung stammte ursprünglich aus religiösen Schulen für afghanische Flüchtlinge in Pakistan. Im Laufe des Jahres 1994 übernahmen die Taliban die Macht in verschiedenen südlichen und westlichen Provinzen Afghanistans. 1995 starteten die Taliban große Bombenangriffe auf die Stadt Kabul und setzten in den folgenden Jahren in den von ihnen besetzten Gebieten ihre Gesetze durch, was bedeutete, dass Frauen quasi unter Hausarrest lebten und Mädchen keine Schulen besuchten.

Doch die Lage entwickelte sich schlimmer. Die Vereinten Nationen benannten 15 Massaker an der Zivilbevölkerung in den Jahren 1996 bis 2001. Im Frühling 2001 sprach Achmad Schah Massoud, ein Widerstandskämpfer gegen die Sowjetunion und gegen die Taliban, vor dem Europäischen Parlament in Brüssel und bat die internationale Gemeinschaft um humanitäre Hilfe für die Menschen Afghanistans. Im selben Jahr wurde er ermordet.

Nach dem Terroranschlag in den USA am 11. September 2001 erreichte im Oktober 2011 die US-Regierung unter Präsident George W. Bush einen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UNO), der ihnen das Recht auf Selbstvereidigung zusprach. Die Folge war eine Invasion unter der Führung der USA. Es gelang, die in den meisten Regionen Afghanistans herrschenden Taliban zu stürzen. Die Taliban flohen nach Pakistan und von dort wurden in Folge immer wieder Anschläge geplant und ausgeführt.

Die am 9. Oktober 2004 durchgeführte Präsidentschaftswahl bestätigte Hamid Karsai als demokratisch legitimierten Präsidenten. Den Abschluss des im Petersberger Abkommen vorgesehenen Demokratisierungsprozesses markierten die Parlamentswahlen im September 2005, aus denen sich das erste frei gewählte afghanische Parlament seit 1973 konstituierte. Diese Wahlen sollten ursprünglich im Juni 2004 stattfinden, mussten aber aufgrund von Verzögerungen bei der Wahlregistrierung mehrmals verschoben werden. Das derzeitige  Staatsoberhaupt ist Mohammad Ashraf Ghani. Das 2010 gewählte Parlament sollte alle 5 Jahre neu gewählt werden. Die Wahlen wurden aber bisher verschoben, da es bei den Präsidentschafts- und Provinzwahlen Verzögerungen gab.

Deutsche Soldatinnen und Soldaten waren von 2001 bis 2014 im Krieg in Afghanistan beteiligt, zunächst mit militärischen Aufträgen und der Beteiligung an der ISAF(international Unterstützungstruppe für Sicherheit und den Wiederaufbau). Von 2014 bis 2016 hatten Soldaten die Aufgaben von Beratung, Ausbildung und Training der Soldaten vor Ort.

Seit über 40 Jahren finden in diesem Land Krieg, Zerstörung und Tötungen statt. Nach dieser langen Zeit haben die Unruhen noch nicht aufgehört. Die Schuttberge in den Städten, die fehlenden Schulen, die fehlende Infrastruktur und die fehlende Sicherheit in dem großen Land und die Bedrohung Einzelner sind Gründe, in der Fremde bleiben zu wollen. Menschen, die im Iran Zuflucht gesucht hatten, finanzierten als Geflüchtete ihren Kindern Schule oder Ausbildungen und erlebten, dass ihre Kinder keine Zertifikate bekamen und keine Berufe finden konnten. Sie sorgten sich, dass ihre Söhne als iranische Soldaten eingezogen wurden. Viele sind inzwischen, weiter gezogen, um ihren Kindern eine Zukunft zu ermöglichen. Sie leben jetzt in Ländern, deren Sprache und Kultur ihnen fremd sind. Die Kinder der Geflüchteten aus  den 70 er und 90 er Jahren haben inzwischen in Deutschland die Sprache und Kultur erlernt und gehen ihren Berufen nach.

Eine große Zahl Geflüchteter aus Afghanistan leben seit ca. 5 Jahren in Deutschland mit der ständigen Angst, dass ihre erwachsenen Kinder, die im Iran aufwuchsen, nach Afghanistan abgeschoben werden, wo sie nie gelebt haben, wenn ihr Asylantrag nicht positiv beschieden wird. Pro Asyl weist immer wieder auf dieses inhumane Vorgehen hin.
Es ist wichtig, dass deutsche Nachbarn ihre Hilfe anbieten und zu Beratungsstellen oder Anwälten begleiten. Widersprüche bei Bescheiden haben eine Chance. Aber Unterstützung ist dabei notwendig!

Karin Wisch