Die eigene Wohnung

Endlich wieder in einer eigenen Wohnung! Welche Bedeutung dieser Satz hat, können viele ältere Menschen nachvollziehen, die sich an die Wohnungsnot nach dem Weltkrieg erinnern. Die syrischen oder afghanischen Familien, die aus der Notunterkunft oder einer Gemeinschaftsunterkunft in Ammersbek in eine Wohnung ziehen durften, sind sehr froh!  In den Unterkünften haben sich die Männer und Frauen die Frage gestellt: Bleiben wir in diesem Ort oder ist das wieder eine vorübergehende Unterbringung? Sie lernten schon mehrere Orte und Menschen in unserem Land kennen, sie schöpften Hoffnung und mussten sich wieder verabschieden. Jetzt können sie erst mal in Ammersbek bleiben und haben eine Wohnung. Sie sind vorerst angekommen.

Inzwischen sind einige Familien und wenige Einzelpersonen in ihren Wohnungen. Sie lernen Deutsch, haben erste deutsche Freunde, Paten, Sprachpaten und Deutschlehrer. Einige suchen noch Wohnungen. Ein junges Paar und alleinreisende Männer, die sich zu viert seit Monaten ein Zimmer teilen, mussten noch in der Gemeinschaftsunterkunft in Lottbek bleiben und in diesem Frühjahr kamen neue Paare und Familien dazu. Mit bis zu 30 Personen sich eine Spüle und zwei Herde und den Kühlschrank im Gemeinschaftsraum mit dem einzigen Fernseher im Haus teilen zu müssen, zehrt an den Nerven.

Im Schäferdresch ist die Unterbringung in verschiedenen Wohnungen  mit dazu gehörigem Bad und Küche klarer und angenehmer.

Die eigene Wohnung bringt ein Gefühl von Sicherheit mit sich. Die Küche ist vertraut und genügt dem eigenen Hygiene-Anspruch, Gäste können begrüßt werden, die Kinder werden entspannter und die Eltern können sich fremde Vokabeln viel leichter merken. Die Möbel aus dem Sozialkaufhaus, die Grundausstattung mit Teller, Messer, Gabel, Löffel und Topf sind Symbole für einen Anfang. Männer Frauen und Kinder können zur Ruhe kommen. Die Kinder sind sicher. Mit dem Deutsch lernen wächst die Hoffnung, bald auch eine Arbeit zu finden.

Wenn Sie eine Einliegerwohnung oder Zimmer haben, die Sie vermieten können, helfen Sie den Paaren und alleinlebenden Männern (z.T. haben Sie Frau und Kinder noch in Syrien) die noch auf der Suche sind. 

In einer Fortbildung für Ehrenamtliche ging es um die seelischen Seiten von Flucht und Vertreibung. Viele der geflüchteten Menschen leiden unter den Stressfolgen oder einer posttraumatischen Belastungsstörung. Erst jahrelang das Leben in einem Land mit Kriegshandlungen, dann der Fluchtweg übers Wasser und durch Wege abseits der Zivilisation mit Hunger und Krankheit und vielen ungenannten Erlebnissen - das kann solch eine Belastungsstörung verursachen. Die Folgen sind Orientierungs- und Ratlosigkeit, Schwierigkeiten über das Erlebte zu sprechen, Unfähigkeit alltägliche Handlungen auszuführen, Hilflosigkeit, Angst, Niedergeschlagenheit, Stimmungsschwankungen, Schuldgefühle. Das sind völlig normale Reaktionen. Vielleicht sind diese Reaktionen ein Versuch des Gehirns, die Kontrolle und damit das lebensnotwendige Gefühl von Sicherheit wieder zu erreichen. Zunächst fallen die Symptome nicht direkt auf, wie wiederkehrende Erinnerungen an grässliche Erlebnisse, Alpträume, Vermeidungsverhalten (im Zimmer bleiben) oder Übervorsicht bei alltäglichen Kontakten. Darüber wird nicht gesprochen. Aber wenn eine Stabilisierung erfolgt, indem eine Wohnung bezogen wird, zuverlässige Menschen kennen gelernt werden und  Kontakt zu Familienmitgliedern in anderen Teilen der Welt aufgenommen werden kann, dann ist die Veränderung spürbar! Das Leben beginnt neu!

Diesen Neubeginn brauchen alle Geflüchteten, vor allem die Geborgenheit einer Wohnung, Stabilisierung durch Nahrung, Kleidung und Kontakte helfen nachweisbar, leichter zu lernen und später Arbeit zu finden.

Wenn Sie den Freundeskreis unterstützen wollen, können Sie sich auf der Internetseite darüber informieren, was wir tun und wobei wir Unterstützung brauchen. Unseren Flyer finden Sie in der Kirchengemeinde.

Karin Wisch